Consulting

Als Quereinsteiger zum IT-Consultant

Ein Erfahrungsbericht

03.12.2021 Lesedauer ca. 9 Min.

Wie sieht eigentlich der Alltag eines IT-Consultant aus? Laufe ich dann in anderen Unternehmen herum und sage denen, wie man es besser machen soll? Woher soll ich das denn wissen? Ich habe doch auch keine Ahnung davon.

So ähnlich waren meine Gedanken, als ich mich diesem Berufszweig genähert habe. Consultant, Berater, das sind die, die viel reden und eigentlich wenig Ahnung haben. Das war mein Eindruck während des Studiums. Man hörte von Berateraffären in der Politik und “die großen 4” der Branche. Nichts von alldem hat sich für mich konkret als passend herausgestellt.

Wo kam ich her? Wo kam ich her?

Ich habe mit 14 angefangen Computer auseinanderzubauen und wieder zusammenzusetzen, aufzurüsten und einzurichten. Neben der Möglichkeit Computerspiele zu spielen, war da der Wunsch dieses Gerät in seiner Funktionsweise und dem Aufbau zu verstehen. Mit 17 habe ich die erste Programmiersprache gelernt, Python. Doch wie das mit Hobbies manchmal ist, so verändern sie sich. Während später die Hardware primär zum Spielen benutzt wurde, entstand eine theoretische Neugier. Das Thema Security, der CCC und die ct rückten in mein Leben und versorgten mich mit einer Fülle spannender Informationen.

Trotz dieses großen Interesses hat es für meine Studienwahl nur sehr eingeschränkt eine Rolle gespielt. Ich entschied mich zwischen Mathematik und Physik. Die Technik war zwar spannend und ich wusste, dass Informatik in die Richtung gehen würde, aber die Naturwissenschaft hatte mein Herz und besonders die Mathematik. Um die Begeisterung für die Funktionsweise des Digitalen aufrecht zu erhalten, entschloss ich mich Informatik als Nebenfach zu wählen.

Die Jahre des Studierens gingen dahin und die Überschneidungen zwischen meinen ursprünglichen Interessen und den Inhalten meines Studiums wurden immer weniger. Zwar sind Programmiersprachen Teil des Mathematikstudiums, jedoch bewegte sich das auf einem mit moderner Softwareentwicklung nicht zu vergleichendem Niveau. Sie waren Werkzeuge für sehr spezifische Anwendungsfälle. Auch das Nebenfach Informatik bewegte sich auf einer theoretischen Ebene, die wenig mit meinem ursprünglichen Interesse zu tun hatte.

Am Ende meines Studiums war ich ein Naturwissenschaftler, der die Möglichkeiten des Digitalen für seine Zwecke theoretisch sinnvoll nutzen konnte und verstand, wie und warum sie funktionieren. Nichts erschien mir in diesem Moment weiter weg, als mit diesem Wissen im Bereich der Softwareentwicklung sinnvoll arbeiten zu können.

Plötzlich ConsultantPlötzlich Consultant

Nach dem Studium habe ich bei der frobese GmbH als IT-Consultant angefangen und schnell festgestellt, dass mein Bild des Beraters eigentlich gar nicht passte, aber irgendwie doch. Die Bezeichnung „Berater“, oder „Consultant“, erweckt bei Menschen, insbesondere Kunden, bestimmte Erwartungen. Das können positive, aber auch negative Erwartungen sein. Als Consultant wird man für seine Expertise eingekauft, weshalb die Arbeitsergebnisse auch die entsprechende Qualität haben müssen. In Meetings und Präsentationen gibt es die Erwartung, dass der Consultant überzeugt von seinen Ergebnissen ist, da sie auf seiner fachlichen Expertise beruhen, dass er differenziert alle Seiten betrachtet und seinen externen Blickwinkel darin hat einfließen lassen. Allerding weiß der Kunde auch, welches Erfahrungslevel der Consultant hat und entsprechend sind die Erwartungen an einen Senior andere als an einem Junior.

Aber da war ich nun, ein abgeschlossenes Mathematikstudium in der Tasche und Programmiererfahrung, die mit der realen Welt nichts zu tun hat. Keine Erfahrung in professioneller Softwareentwicklung und keine Erfahrung in der Anwendung von Tools zur Entwicklung und Organisation.

Ich besaß nur das Wissen und die Erfahrung, dass ich mir selbst komplizierteste Themen aneignen und verstehen kann. Nichts anderes war das Studium. Mehr oder weniger selbstständiges Erarbeiten und Verstehen hoch komplizierter Themen. Rückblickend ist es diese Fähigkeit, kombiniert mit der Affinität zur IT, die für mich eine gute Voraussetzung für die Arbeit als IT-Consultants war.

Wie ist das im Detail?Wie ist das im Detail?

Meine Beauftragung beginnt zuallererst damit, dass ein Kunde Expertise und/oder zusätzliche Entwicklungsressourcen für ein Projekt benötigt. Ist der Kunde davon überzeugt, dass ich seine Voraussetzungen erfülle, so werde ich in die Abteilung oder das Projekt integriert und dann kommt die gerade erwähnte Kompetenz zum Tragen. Von einem auf den anderen Tag ist man Teil eines, mal mehr oder mal weniger gut funktionierenden Teams, welches auf einer gewachsenen, technischen Infrastruktur arbeitet, die mal mehr oder mal weniger gut durchdacht ist.

Die Grundherausforderung ist jetzt die Einarbeitung. Diese Einarbeitung ist anders, als würde ich die gleiche Position als Festangestellter antreten. Zusätzlich zu den Ressourcen, die mir der Kunde bereitstellt, habe ich die frobese GmbH mit all meinen Kollegen, die ich ebenfalls um Rat fragen kann. Mit diesen Mitteln beginne ich mich in die Organisationsstruktur, die technischen Systeme, die Codebasis und die fachlichen Rahmenbedingungen einzuarbeiten. Wie gut ich Programmiersprache X oder Tool Y vorher beherrscht habe, ist dabei erstmal nebensächlich. Ich muss es dann beherrschen, wenn es mir hilft meine Aufgabe bzw. mein Problem zu lösen.

In der Regel wird man für eine bestimmte Rolle beauftragt, aus der sich die Aufgabenfelder ergeben. Aus dem Projekt werden ebenfalls Aufgaben an mich herantragen, die mich bei meiner Einarbeitung unterstützten (idealerweise). So werde ich Stück für Stück in den Projektalltag integriert und lerne wie die sozialen Dynamiken im Team funktionieren und wo ich konkret unterstützen oder eigene Aufgaben übernehmen kann.

Bin ich gut genug?Bin ich gut genug?

Das “Impostersyndrom” ist ein häufig verbreitetes Gefühl bei Entwickler:innen, die sich ihr Wissen selbst aneignen und beruht auf einer Fehlwahrnehmung. Die klassische Wahrnehmung eines Berufs besteht darin, dass ich diesen Beruf erlerne und ihn dann beherrsche. Das Feld der Softwareentwicklung ist aber so riesig und die Ressourcen sich selbst weiterzubilden ebenfalls, dass der Prozess des Erlernens nie abgeschlossen sein kann. Die technische Affinität und ein logisches Grundverständnis bilden das Fundament, auf dem ich genau das lerne, was ich gerade interessant finde oder was ich für meine berufliche Situation brauche. Sprachen und Tools werden austauschbar. Je mehr man bereits gesehen hat, desto schneller passiert das.

Die Kompetenz eines Consultants ist weniger direkt die Lösung für das Problem des Kunden zu wissen, dafür sind die Themenfelder einfach zu vielseitig, sondern dem Kunden realistisch vermitteln zu können, wie lange es dauert, bis man selbst genug Informationen hat, um eine Lösung zu finden. Diese Dauer beinhaltet die Recherche und Aneignung von neuem Wissen und die Übertragung auf das Problem des Kunden. Wichtig dabei ist, dass es nicht die Aufgabe des Kunden ist, dir die Ressourcen für die Aneignung neuen Wissens bereit zu stellen. Dafür ist man selbst verantwortlich und kann idealerweise auf eigene Erfahrungen sowie das Wissen von Kolleg:innen zurückgreifen.

Diese Art des Arbeitens und diese Art des Denkens kenne ich aus meiner Studienzeit, bspw. als ich wöchentliche Übungszettel für einzelne Vorlesungen bearbeiten musste. Ich musste die benötigten Werkzeuge und Informationen in Form von Vorlesungsinhalten herausfinden und diese auf das Problem anwenden. Idealerweise gab es eine Lerngruppe, wo ich zusammen mit anderen Studierenden die Übungszettel bearbeitet habe. Dabei war es wichtig die Rahmen- und Randbedingungen im Blick zu behalten, um sich nicht zu verzetteln.

Übertragen auf meinen Berufsalltag sind die Werkzeuge jetzt Programmiersprachen und Tools. Die Rahmenbedingungen sind die Fach- und Geschäftsprozesse des Kunden und die Randbedingungen sind die Sachen, für die meine Lösung funktionieren muss.

ConclusioConclusio

Ob das Berufsbild des Consultants für jemanden richtig ist, lässt sich nicht an bestimmten Kriterien ablesen. Zumindest für den IT-Consultant sollte eine technische Affinität vorhanden sein, was nicht zwangsläufig Programmierkenntnisse bedeuten muss. Eine schnelle Auffassungsgabe, Resilienz gegenüber komplexen Problemen und Spaß an eigenständigem Arbeiten in unterschiedlichen Bereichen sind definitiv gute Voraussetzungen. Schlussendlich muss man aber manches ausprobieren, um zu wissen, wie man dazu steht. Ein großer Vorteil des IT-Consultant gegenüber einem klassischen Entwickler- oder IT-Job ist die Möglichkeit, ohne einen Jobwechsel viele verschiedene Unternehmen und IT-Systeme kennenzulernen. So hat mir die Arbeit gezeigt, wie vielfältig die Bereiche und Themen sind, in denen man sich im Bereich der Softwareentwicklung bewegen kann und dass ich aufgrund meines naturwissenschaftlichen Studiums überraschend gut darauf vorbereitet bin.

Über Jan Schmidt